Montag, 20. Oktober 2008

...Aktienkursen und Muscheln

Was an den Börsen dieser Welt gehandelt wird, das sind nicht bloß Wertpapiere, Währungen oder gar Aktienpakete – das durfte der aufmerksame Laie in den vergangenen Wochen lernen. Börsen-Auguren und Finanzexperten verrieten: Den größten Marktwert überhaupt besitzt das Vertrauen. Ist das Vertrauen erst einmal weg, rutschen auch die Kursen in den Keller. Da keimt doch still und leise in mancher Laienbrust die Sehnsucht nach dem guten alten Muschelgeld unserer Vorfahren. Die wussten noch wie’s geht: Muscheln kann man gegen Glasperlen tauschen und so manche Hirschkeule ging gegen eine Glasperle für die Liebste über die imaginäre Ladentheke. Die Ladentheke dürfte bei den damaligen Geschäften allerdings sicherlich das einzige gewesen, was imaginär war. Heutzutage ist es Usus über den zukünftigen Erfolg von Firmen zu spekulieren. Fehlt das Vertrauen in den Konzern, sinkt auch der Wert des Unternehmens. Das ist mindestens ebenso abstrakt, wie die Sache mit dem Vertrauen, das übrigens nicht nur im Aktiengeschäft die eigentliche Währung ist sondern gleich auch noch unserer Geldwährung zugrunde liegt. Denn auch unser Bargeld ist schon seit dem vorletzten Jahrhundert nicht mehr durch Goldreserven gedeckt. Und wer immer noch keinen rechten Durchblick hat: In Papua-Neuguinea wurde 2002 die erste Bank für Muschelgeld eingerichtet.

Mittwoch, 3. September 2008

... Ringen und Riesen

Auf dem Weg zur Arbeit komme ich an einem Antiquariat vorbei. Flüchtig werfe ich einen Blick in die auslage und bin irritiert. Nabokov steht immer noch da, wo ich ihn vor Wochen schon gesehen habe, auch die Lustigen Taschenbücher sind noch an Ort und Stelle. Was mich irritiert ist, dass es die China-Bücher auch noch sind. Nur knapp zwei Wochen nach den Olympischen Spielen ist der Riese China wieder in der Versenkung verschwunden. Keine Rede mehr von China, Tibet, den Spielen, Boykott, Protest, den Bauarbeitern, die die Stadien aus dem Boden gestampft haben, den Vertriebenen, die ihre Häuser für die Olympischen Spiele verlassen mussten, dem Smog Pekings, Umweltschutz und und und.
Nach den prächtigsten, den überdimensioniertesten Spielen der Neuzeit ist der Gigant wieder abgetaucht. An die Oberfläche kommt er nur, um Luft zu holen. Der Schleier hinter dem sich China verbirgt ist wieder vorgezogen. Der Riese schläft wieder. Doch nur mit einem Auge. Und angeblich soll Schlaf ja auch erholsam sein. Es wird sich zeigen, mit welchem Streich China wieder an die Oberfläche kommt. Sicher ist nur: diesmal werden es nicht die Olympischen Spiele sein. Und bleibt zu hoffen, dass die Reaktionen dann nachhaltiger sind


Montag, 7. Juli 2008

... Seife

Wer hat sich nicht schon gefragt, wie sich Gaststätten, Kinos, Eisdielen, Diskos, Cafés und Co. über Wasser halten können, auch wenn mal keine Scharen von Gästen da sind? Vielleicht schaffen sie es mit einem ganz einfachen Spartrick: Seife.
Seife? Oder wie sonst ist es zu erklären, dass Seifenspender immer und überall chronisch leer sind. Daran, dass sich jeder nach der Toilette die Hände wäscht, kann es ja nun wirklich nicht liegen...

Donnerstag, 3. Juli 2008

... Namen, Nebeltröpfchen und Rußpartikeln

Allen Konigsberg ist ein kleiner Mann, der gerne Saxophon spielt. Sein Gang ist unauffällig und er ist kurzsichtig. Wie jeder andere auch geht er nach dem Aufstehen ins Badezimmer und genauso regelmäßig ist er auf der Toilette zu finden. Und genauso verhält es sich auch mit David Robert Jones. Auffällig ist an ihm vielleicht, dass seine Augen eine unterschiedliche Farbe haben.
Norma Jean Baker litt Zeit ihres Lebens unter starker Kurzsichtigkeit und war eine der ersten Frauen, die sich für die Schönheit unters Messer legten. Als es soweit war, war sie noch Norma Jean. Doch schon wenig später war sie als Marilyn Monroe in aller Munde und zierte die allererste Ausgabe des Playboymagazins. Ob sie sich das auch als Norma Jean getraut hätte? Vielleicht sind Namen doch mehr als Ruß und Nebeltröpfchen oder anders gesagt - als Rauch. Dabei müssen die Künstlernamen nicht einmal unbedingt als solche auffallen. Längst nicht jedes Pseudonym ist als solches erkennbar. Es ist ganz klar - die neuen Namen sollen nicht nur gut klingen, sie sollen auch eine neue Identität erschaffen. Vielleicht sind sie vor allem auch ein Schutz für all die Norma Jeans, Allen Koenigsbergs oder Greta Lovisa Gustafssons dieser Welt. Ein Schild den sie nicht nur vor sich hertragen wie Designerklamotten und Sonnenbrille. Eine Sphäre die sie Dinge tun lässt, die sie als Greta, Norma oder Allen nie gewagt hätten und die sie vor Angriffen von außen schützt. Truman Capote brach so ziemlich jede gesellschaftliche Regel. Aber eben als Truman Capote und nicht Truman Streckfus Persons. Als Truman Streckfus Persons verfiel er allerdings den Drogen und beendete sein Leben in Scham und Alkohol. Allerdings, so hat es den Anschein, kommt der Künstlername zunehmend aus der Mode. Vielleicht weil der Erfolg immer schneller kommt und keine Zeit bleibt, sich hinter einer fiktiven Persönlichkeit zu verschanzen. Was wiederum zur Folge hat, dass es sicher auch dem ein oder anderen schwer fällt, zwischen Image und Privatleben zu unterscheiden

Greta Lovisa Gustafsson (Greta Garbo)
Sara Stina Hedberg (Zarah Leander)
Norma Jean Baker (Marilyn Monroe)
Brian Warner (Marilyn Manson)
David Robert Jones (Davie Bowie)
Frances Gunm (Judy Garland)
Archibald Alexander Leach (Cary Grant)
Robert Dillon Zimmerman (Bob Dylan)
Allen Konigsberg (Woody Allen)
Dame Elizabeth Rosemond Taylor (Liz Taylor)
Amandine-Aurore-Lucile Dupin de Francueil (George Sand)
Truman Streckfus Persons (Truman Capote)
Cherilyn Sarkisian La Piere (Cher)
Gabrielle Bonheur Chasnel (Coco Chanel)
Harry Heine (Heinrich Heine)
Michel Thomas (Michel Houellebecq)
Roman Liebling (Roman Polanski)

Dienstag, 24. Juni 2008

... Heiligen und Cholesterin

Heute ist Dienstag der 24. Juni, das Fest der Fortuna oder - wie Katholiken diesen Tag kennen - Johannistag. Aber der 24. Juni ist auch Tag des Cholesterins. Nein ernsthaft! Und es gibt noch weitere skurrile Tage. Am 23. April zum Beispiel feiern die deutschen Brauereien den Tag des Bieres. Und am 25. April wird der Tag des Baumes gefeiert. Ist hier etwa ein Gegentrend zu den religiösen Namens- und Feiertagen zu erkennen? Sind wir es leid, Märtyrern zu gedenken, weil uns der Bezug zu den längst Verblichenen fehlt? Vielleicht suchen wir einfach den Bezug zum Bodenständigen. Orientieren wir uns deshalb zunehmend an Dingen, zu denen wir einen engeren Bezug verspüren, als zu geköpften, gevierteilten und was nicht noch ge-dingsten Glaubenskämpfern? Wie wäre es denn stattdessen mit einem Tag des Viertelsen Roten, einem Tag der Cellulite oder Playstation 3? Dass die "neuen" Gedenktage einen ganz irdischen Hintergrund haben, das beweist doch schließlich nicht zuletzt der Tag des Kaffees, der auf den 26. September fällt. Denn wer kommt schon ohne das braune Dopinggetränk in einem Stück aus dem Bett. Aber bevor ich mir weiter den Kopf darüber zerbreche, halte ich mich lieber an den 21. Juni: das ist nämlich der Tag des Schlafes. In diesem Sinne: gute Nacht.

Montag, 16. Juni 2008

... schwarz-weißem Leder und Fußballschuhen

Mit Epedimien ist das so eine Sache. Die Spanische Grippe tötete, BSE verwirrte und die EM macht einfach alle völlig verrückt. Wer mit diesem seltsamen Virus infiziert ist, leidet zwar nicht unter Fieberattacken oder Nackensteifheit, dafür aber unter dem Ausfluss unartikulierter Laute und Anfällen von Logorroeh. Auch Wasserscheu, das vermehrte Bedürfnis nach Alkohol oder Gliederschmerzen, verursacht durch das unkontrolliere Schwenken beider Arme sowie das Ballen der Rechten zur drohenden Faust. Aber auch Schlaflosigkeit gehört zu den häufigeren Symptomen, wie ich bei einer Feldstudie unlängst herausfand. Nach den Vorrundenspielen Griechenland gegen Russland und Schweden gegen Spanien war auf den Straßen von Mainz-Kastel, nachts um halb drei, eigentlich nicht mit einem Angriff von EM-Infizierten zu rechnen. Doch wie es scheint hat sich die EpideMie ausgebreitet und beschränkt sich nicht mehr nur auf die eigene Nationalität. Egal an welchem Tag, egal zu welcher Uhrzeit, die fähnchenschwingenden Lederenthusiasten tauchen inzwischen überall auf - und mit ganz besonderer Vorliebe dort, wo man sie nicht erwartet. Zum Beispiel an einer roten Ampel, während man gerade im Geldbeutel kramt, als sich die Freundin ohne Vorwarnung und mit einem markerschütternden Schrei über den Beifahrersitz stürzt, um sich im Nanobruchteil einer Sekunde mit dem ganzen Körper auf den Türknopf zu werfen. Bis sich dann das Gleiche auf der Fahrerseite wiederholt - gefolgt von einem gehetzten Blick, ob ihr Opel Kadett auch wirklich nur ein Zwei- und kein Viertürer ist. Kurz schießen mir Bilder von blutrünstigen Zombies durch den Kopf. Da fängt auch immer alles ganz harmlos mit einem Fernsehabend oder der Heimfahrt nach einer Party an. Und tatsächlich ... mit heruntergelassenem Fenster, mit deutschen und türkischen Fähnlein bewaffnet, grölt und grunzt es aus einem mit sieben Jungs völlig überfüllten Kleinwagen, der mit einer Vollbremsung neben uns haltmacht. Noch ehe der Wagen endgültig zum Stillstand gekommen ist, springt einer der fiebernden Jünglinge schon aus dem Auto. Mit wahnhaft gewordenen Klaus-Kinski-Augen rüttelt er an der Türe - wie gut, dass meine Heldin das Gedankenlesen in einer Einrichtung für psychisch kranke Jugendliche gelernt hat - und sucht erfolglos nach einer dritten und vierten Tür. Da wird auch schon die Ampel wieder grün - die Heldin der Immunen tritt aufs Gas und ohne Joke schießt der rote Trumm über die Haltelinie - das Lenkrad wird herumgerissen und das Geschoss landet mit fabelhafter Geschwindigkeit im blauen Hafen einer Aral-Tankstelle. Dabei wollte ich doch bloß eine Cola beim Döner kaufen