Montag, 16. Juni 2008

... schwarz-weißem Leder und Fußballschuhen

Mit Epedimien ist das so eine Sache. Die Spanische Grippe tötete, BSE verwirrte und die EM macht einfach alle völlig verrückt. Wer mit diesem seltsamen Virus infiziert ist, leidet zwar nicht unter Fieberattacken oder Nackensteifheit, dafür aber unter dem Ausfluss unartikulierter Laute und Anfällen von Logorroeh. Auch Wasserscheu, das vermehrte Bedürfnis nach Alkohol oder Gliederschmerzen, verursacht durch das unkontrolliere Schwenken beider Arme sowie das Ballen der Rechten zur drohenden Faust. Aber auch Schlaflosigkeit gehört zu den häufigeren Symptomen, wie ich bei einer Feldstudie unlängst herausfand. Nach den Vorrundenspielen Griechenland gegen Russland und Schweden gegen Spanien war auf den Straßen von Mainz-Kastel, nachts um halb drei, eigentlich nicht mit einem Angriff von EM-Infizierten zu rechnen. Doch wie es scheint hat sich die EpideMie ausgebreitet und beschränkt sich nicht mehr nur auf die eigene Nationalität. Egal an welchem Tag, egal zu welcher Uhrzeit, die fähnchenschwingenden Lederenthusiasten tauchen inzwischen überall auf - und mit ganz besonderer Vorliebe dort, wo man sie nicht erwartet. Zum Beispiel an einer roten Ampel, während man gerade im Geldbeutel kramt, als sich die Freundin ohne Vorwarnung und mit einem markerschütternden Schrei über den Beifahrersitz stürzt, um sich im Nanobruchteil einer Sekunde mit dem ganzen Körper auf den Türknopf zu werfen. Bis sich dann das Gleiche auf der Fahrerseite wiederholt - gefolgt von einem gehetzten Blick, ob ihr Opel Kadett auch wirklich nur ein Zwei- und kein Viertürer ist. Kurz schießen mir Bilder von blutrünstigen Zombies durch den Kopf. Da fängt auch immer alles ganz harmlos mit einem Fernsehabend oder der Heimfahrt nach einer Party an. Und tatsächlich ... mit heruntergelassenem Fenster, mit deutschen und türkischen Fähnlein bewaffnet, grölt und grunzt es aus einem mit sieben Jungs völlig überfüllten Kleinwagen, der mit einer Vollbremsung neben uns haltmacht. Noch ehe der Wagen endgültig zum Stillstand gekommen ist, springt einer der fiebernden Jünglinge schon aus dem Auto. Mit wahnhaft gewordenen Klaus-Kinski-Augen rüttelt er an der Türe - wie gut, dass meine Heldin das Gedankenlesen in einer Einrichtung für psychisch kranke Jugendliche gelernt hat - und sucht erfolglos nach einer dritten und vierten Tür. Da wird auch schon die Ampel wieder grün - die Heldin der Immunen tritt aufs Gas und ohne Joke schießt der rote Trumm über die Haltelinie - das Lenkrad wird herumgerissen und das Geschoss landet mit fabelhafter Geschwindigkeit im blauen Hafen einer Aral-Tankstelle. Dabei wollte ich doch bloß eine Cola beim Döner kaufen

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